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„Kaum eine Person geht davon aus, dass sie selber gerade im Wald steht“

Hey Fabian, du bist nun Agile Coach bei sum.cumo Sapiens, was heißt das? Was sind deine Aufgaben?

Agilität ist unter anderem ein konstanter Verbesserungs- und Kurskorrekturprozess durch kurze Feedbackschleifen. Zum einen bieten wir den Teams kurzfristige Symptombehandlung von Problemen jeder Art an. Zum anderen wollen wir mittel- und langfristig dabei unterstützen, die Ursachen von Problemen zu beheben. Wir haben den Begriff "Begleitung" von Teams daher wie folgt definiert:

  • Problemverständnis katalysieren
  • Lösungserarbeitung unterstützen
  • Rekapitulieren und Learnings destillieren

Unser Kernauftrag ist Teamentwicklung durch Begleitung der Teams. Dazu kommen bis auf Weiteres noch die Begleitung der Transformation von der Projekt- zur Produktcompany als auch das Befähigen der Crew durch Methodenschulungen.

Wie sieht das konkret aus?

Ein Beispiel: Der häufigste Einstiegspunkt ist, dass ein Team einen Moderator für die Retrospektive braucht. Die kurzfristige Symptombehandlung ist natürlich, die Retro vorzubereiten und durchzuführen. Langfristig sollte ein autonomes Team in der Lage sein, effektive Retrospektiven durchzuführen – ob mit oder ohne Coach. Wenn man ein Team über einige Retros kennengelernt hat, dann kann man auch Dinge ansprechen, bei denen man als Coach von außen blinde Flecke sieht, die den Teammitgliedern verborgen sind. 

Jeder kennt den Begriff "man sieht den Wald vor Bäumen nicht". Kaum eine Person geht aber davon aus, dass sie selber gerade im Wald steht. Das sieht man nur von außen und da liegt der Kern von jeder Art von Coach und Coaching. Im Idealfall entwickelt sich daraus eine Beziehung, in der der Coach das Team ganzheitlich begleitet. Das kann bedeuten, manchmal bei den Dailies dabei zu sein, unbequeme Fragen zu stellen oder Workshops zu moderieren und vorzubereiten. 

Welche Stationen hast du vorher schon bei sum.cumo Sapiens eingenommen?

Gestartet bin ich bei sum.cumo Sapiens 2017 als UX-/Produktdesigner mit dem ganz expliziten Auftrag, die Produktentwicklung und das Team mit aufzubauen. Da ich auch einen Entwicklungshintergrund habe, konnte ich den folgenden Jahren sehr schlanke Lösungen konzipieren und mit den Entwickler:innen zusammen ausarbeiten. Buchstäblich kein einfacher Task – Versicherungswesen ist komplex und letzten Endes gibt es Grenzen dafür, wie weit man Komplexität wegdesignen kann.

Für einige Zeit war ich auch mit Jan Schütte zusammen Co-Lead für das Gewerk UX. Zu dem Zeitpunkt war ich aber weiterhin der einzige Designer in der Produktentwicklung, während alle anderen Designer in Kundenprojekten beschäftigt waren. Ich habe dann gemerkt, dass das so wenig Sinn macht. Ich konnte die Probleme in der täglichen Kundenarbeit oft gar nicht so richtig nachvollziehen und dementsprechend den Menschen auch nicht gut weiterhelfen. In Folge habe ich den Posten des Co-Leads gegen den des Deputies getauscht.

Was mich auf dem Weg immer interessiert hat, war die Rolle des Produktmanagers, da ich neben meinem Hauptgewerk Design und meinem Entwicklungshintergrund auch immer mehr Interesse an den Businesshintergründen für Produktentwicklung gefunden habe.

Im Sommer 2021 ergab sich eine Gelegenheit, den Posten des Produktmanagers für das zentrale Produktteam zu übernehmen. Gleichzeitig gab es bei sum.cumo Sapiens in dieser Zeit einige Veränderungen und parallel haben wir im Produktteam mit One SCIP den bisher komplexesten Umbau seit Produktstart begonnen. Wenn Luft gewesen wäre, hätte ich gern meinen fehlenden Hintergrund in BWL und Projektmanagement aufgearbeitet. Da das nicht möglich war, habe ich nach einem halben Jahr die Bremse gezogen. Wir haben dann in Ruhe gemeinsam überlegt und es tauchte parallel ein dritter Arm auf, der mich schon seit vielen Jahren umtreibt: Teamcare und -methodik. Bereits in meiner Zeit bei Jimdo war ich Teil der Moderations-CoP, also einer Gruppe von Menschen, die für andere Teams Retros moderierte und dafür von den Agile Coaches geschult wurde. Seit dieser Zeit habe ich immer wieder Retros moderiert und mich um Workflows und Lösungen in meinen Teams gekümmert. Insofern ist die Rolle des Agile Coaches für mich gar nicht so ein krasser Umbruch wie es von außen aussieht. Ich lasse eigentlich nur die inhaltliche Mitarbeit weg und fokussiere mich auf solche unbeliebten Begriffe wie Struktur, Workflow und Prozess.

Deine Wechsel innerhalb der Company von UX über Produktmanager zu Agil Coach sind besonders. Gibt es zwischen den verschiedenen Jobs Parallelen?

Na klar, Menschen. Als UX-Designer lernt man idealerweise mit der Zeit, sich immer weniger kreative Ideen auszudenken und immer mehr die Menschen zu fragen, die ein Produkt nutzen. Als Produktmanager fragt man idealerweise die Menschen, was sie nervt und Zeit kostet und entwickelt daraus das Produkt. Als Coach weiß ich, dass der Zugang zu guter Teamarbeit immer in der Beziehung zwischen den Menschen im Team liegt.

Menschen sind gar keine rationalen Wesen, wir tun nur immer gerne so. Tatsächlich spielen sich über 95% aller Entscheidungsprozesse im Unterbewusstsein ab und sind fast ausschließlich emotionsgesteuert. Da liegt auch ein großer Teil der vorhin erwähnten blinden Flecken begraben. Ich kann diesen Artikel hier als Beispiel anführen: Zwischendurch habe ich entdeckt, dass ich die ganze Zeit zweifle, ob meine Antworten auch "richtig genug" sind. Das hat mich gesteuert, ohne dass ich das sehen konnte. Ein blinder Fleck. Was ich hätte tun sollen: Viel früher mit jemandem in Kommunikation gehen. Und das ist hoffentlich etwas, was wir als Agile Coaches der Crew anbieten können.

Was hast du für Hobbys? Was triggert dich?

Ich gehe nirgendwo ohne mein Sketchbook hin und treffe mich gerne mal zu einem Drink-and-Draw mit Freunden. Als guter Co-Papa kümmere ich mich mehrere Tage die Woche um meine Zwillingsbraten Mats und Greta (mittlerweile fast 10 und begeisterte Milchschaumkonsumenten der Cafeteria). Ansonsten bin ich gerne draußen, gelegentlich sogar mit Hängematte und Tarp und spiele ein wenig Schlagzeug.

Was mich triggert erzähle ich gerne bei einem Kaffee…

Vielen Dank für das Interview, Fabian!