#digitalisierung #insurtech #versicherungen

Erstmals kein Rückenwind mehr für Startups in der Versicherungsbranche?

Eine Einschätzung der aktuellen Marktlage

Aktuell wird viel über steigende Zinsen und den damit notwendigen "Krisenmodus" bei Startups gesprochen. Seit die Zinsen zunächst in den USA und inzwischen auch in Europa (verzögert und langsamer) steigen, merken Konsumenten und Unternehmer, dass Geld an sich wieder etwas kostet.

Für die Einordung ist dabei wichtig, dass das Phänomen des "billigen" oder "fast kostenlosen" Geldes nicht erst mit Corona begonnen hat, sondern bereits 2008/2009. Diese Dekade neigt sich, nach dem Höhepunkt während der Corona-Pandemie, nun ihrem Ende entgegen.

Auch an Startups in der Versicherungsbranche geht diese Änderung nicht spurlos vorbei, egal ob B2C, B2B oder irgend ein weiteres Businessmodel. Dies gilt insbesondere dann, wenn für die Unternehmen aktuell bzw. in naher Zukunft eine oder mehrere der folgenden Schwachstellen zutreffend sind bzw. sein werden:

Externe Schwachstellen:

  • Hohe Kundengewinnungskosten (cost-to-acquire), unabhängig des POS [B2C]
  • Bereits aktuell hohe Kündigerquote und damit verbunden fehlende Stickyness des Kunden zur eigenen Marke [B2C]
  • Keine selbst tragende Value Proposition und fehlende Kundeninteraktion

Interne Schwachstellen:

  • Noch händische Prozesse in einem (eigentlich) digitalen End2End-Prozess [B2B & B2C]
  • Kein strategischer, langfristig orientierter Investor [B2B & B2C]
  • Kurze "run rate" [B2B & B2C]
  • Krisenunerfahrenes Management bzw. fehlendes Netzwerk zu Experten mit Krisenerfahrung [B2B & B2C]
  • Kein krisenerprobtes Schaden-Kosten-Model, etwa bei Kosten für die Schadenbearbeitung [B2C]. Hier kann es sein, dass Verträge, die im letzten Jahr mit Kfz-Kunden geschlossen wurden, Mitte diesen Jahres schon Kosten der Materialbeschaffung und Lohnkosten in Werkstätten gegenüberstehen, die 10-20 % über den kalkulierten Kosten liegen.

Was bedeutet das für Insurtechs?

So banal es klingt: In der aktuellen Marktphase wird es für Insurtechs darum gehen, spezifische Änderungen an ihrem Geschäft vorzunehmen, um gestärkt aus der aktuellen Situation hervorzugehen. Erstaunlicherweise gilt dies nicht nur für Insurtechs, sondern für Startups im Allgemeinen. Daher sollte in keinem Fall der Fehler gemacht werden, "nur" auf die eigene Branche zu schauen, sondern sich auch Erkenntnisse anderer Sektoren zu Nutze zu machen. Folgende Parameter sollten (mindestens) geprüft und ggf. angepasst werden:

  • Wie sieht mein internes Delivery Model aus und wie kann ich die Dinge weiter voran treiben, die wirklich essentiell sind?
  • Wie kann ich meine Kunden enger an mich binden, idealerweise ohne höhere Kosten?
  • Ggf. Erweiterung des Eigentümerkreises um strategische Investoren aus der Branche

Was bedeutet das für sum.cumo Sapiens?

Für sum.cumo Sapiens haben die Änderungen ebenfalls direkte Folgen, sowohl im Umgang mit unseren Kunden als auch mit unserer Crew, also unseren Mitarbeiter:innen.

Unsere Kunden investieren zwar weiterhin, bisher ohne Einschränkung, in die Weiterentwicklung ihrer technischen Lösungen. Nichtsdestotrotz herrscht insgesamt Unklarheit über die weitere Entwicklung des Prämienvolumens. Einerseits müssten sich die Prämien entlang steigender Kosten entwickeln, etwa für Ersatzteile im Kfz-Geschäft oder für Regelsätze für Ärzte/Tierärzte. Andererseits besteht Unklarheit darüber, ob "nicht notwendige" Versicherungen mit dem Vertragsende verlängert werden oder nicht.

Daher gilt für unsere Kunden und auch uns selbst, dass wir in die Themen investieren, die sehr zeitnah einen Return-on-invest ermöglichen.

Für unsere Mitarbeiter:innen entsteht bisher keine direkte Implikation. Durch die Zugehörigkeit zu einem Konzern u.a. mit Kunden in Südamerika oder etwa der Türkei ist Sapiens das Arbeiten in Regionen mit höheren Inflationsraten eher gewohnt. Darüber hinaus garantiert unsere Eigentümerstruktur und die weltweite Ambition unseres wichtigsten Produkts SCIP ein weiterhin vorhandenes R&D-Budget für die Weiterentwicklung. Mit SCIP sind wir effizient aufgestellt, weil neue Kunden keine langen Anlaufzeiten zum Go-Live haben und wir den Betrieb deutlich standardisierter sicherstellen können. Gerade deswegen glauben wir weiterhin und mehr denn je an die notwendige End2End-Digitalisierung der Versicherungsbranche, bei der wir in Deutschland und auch weltweit mit Sapiens eine führende Rolle einnehmen wollen.

Für das Recruiting bedeutet dies, dass wir weiterhin intensiv auf der Suche sind. Für Talente sowie die gesamte deutsche Wirtschaft können aus der aktuellen Situation insgesamt neue interessante Chancen entstehen. Während sich in den letzten Jahren neue digitale Geschäftsmodelle und ganze Industrien entwickelt haben (etwa Buy-now-pay-later) und diese Industrien (digitale) Talente angezogen haben; gibt es insbesondere in Deutschland auch 2022 und darüber hinaus spannende Unternehmen in zukunftsweisenden Industrien oder mit langer Krisenerfahrung (der deutsche Mittelstand), die für diese digitalen Talente spannende Aufgaben bereit halten, um Hardware und Software zu verbinden.

von Kai Bollhorn, sum.cumo Sapiens