Geht es den Industrieversicherern noch zu gut?
Der Kongress Industrieversicherung, der von sum.cumo, Sapiens und Thor Capital organisiert wurde, orientierte sich an der Identifikation zukünftiger Geschäftsmodellstrukturen von Versicherern, Maklern und Industriekunden. Entscheidend für deren Entwicklung sind dabei auch technologische und gesellschaftliche Veränderungen sowie die Post-Corona-Situation. Doch wo steht die Branche und welche Entwicklungen lassen sich identifizieren, die dem Kongress vorausgehen?
Steigende Kundenanforderungen
Ob digitale Dokumente und Versicherungsangebote, einheitliche Schnittstellen zwischen Versicherern, Maklern und Kunden oder gar standardisierte Daten und Prozesse – von all dem ist die Versicherungsbranche noch weit entfernt. Veraltete Bestandsführungssysteme und IT-Infrastrukturen inklusive kosten- und ressourcenintensiver Wartung bilden nach wie vor die Grundlage der meisten Anbieter auf dem Markt. Statt einer ganzheitlichen Betrachtung, basierend auf aktuell verfügbarer Technik, wird die Teiloptimierung bestehender Systeme weiterhin bevorzugt. Kurzfristig spart das Personal und Kosten. Langfristig jedoch behindert dieses Vorgehen die Modernisierung und Implementierung neuer Produkte und Prozesse. Parallel dazu werden die Erwartungen an Versicherungsunternehmen seitens der Kunden immer größer. Sie fordern zunehmend individuelle, flexible und innovative Angebote bei einer gleichzeitig sinkenden Kostenquote.
Probleme seit Jahren bekannt
Marcel Armon, Chief Commercial Officer des Großmaklers Aon, verdeutlichte abermals, dass die Probleme in der Versicherungsbranche grundsätzlich seit Jahren bekannt sind, doch der Druck hin zur Reaktion noch nicht groß genug zu sein scheint. Seither werde die vermeintliche Komplexität der Industrieversicherung als Argument angesichts der versäumten Anpassung vorgeschoben. Hier sei man allerdings unentschlossen, wie komplex die Situation am Ende wirklich ist und ob das Thema nicht einfach hoffnungslos hinausgezögert werde.
Digitalisierung von klein auf
Fraglich ist auch, wie lange die steigenden Preise seitens der Kundschaft noch akzeptiert werden, denn die Preiszusammensetzung ist alles andere als transparent und werde von vielen Versicherern bewusst vernachlässigt, so Benno Walter vom Makler BüchnerBarella. Zudem gibt er zu bedenken, dass der Blick beim Thema Digitalisierung zu schnell auf das große Ganze gelenkt werde, denn von AI oder der Blockchain-Technologie ist die Branche noch meilenweit entfernt. Es scheitere bereits an Kleinigkeiten, sodass grundlegende Anpassungen der IT sowie eine ganzheitliche Automatisierung der erste Schritt sein müssten. Das bestätigt auch Alexander Mahnke, Versicherungschef bei Siemens und Vorstandsvorsitzender des GVNW.
Mehr Transparenz in der Kommunikation
Zumindest beim Thema Transparenz geloben die Versicherer zukünftig Besserung. Statt ihre Kunden vor vollendete Tatsachen zu stellen, wollen sie ab sofort offener kommunizieren und Informationen frühzeitig zur Verfügung stellen, um mehr Klarheit zu schaffen. Doch es bleibt abzuwarten, wie sich die Lage entwickeln wird. Auch hinsichtlich der immer noch sehr analogen Strukturen von Maklern und Versicherern bleibt ungeklärt, wie sich das Verhalten von Kunden als Entscheidungsträgern im weiteren Verlauf ändern wird. Fest steht, viel Zeit bleibt den Akteuren der Industrieversicherungsbranche nicht mehr, hinsichtlich der wachsenden Zahl digitaler Anbieter auf dem Markt. Bei Risikomanagement und Datensicherheit steht die Konkurrenz bereits jetzt vor der Tür.